Creation – Gedichtauswahl

    Auf dieser Seite veröffentliche ich 21 Gedichte, die ich in meiner Zeit des Heranwachsens (15-21 Jahre) geschrieben habe: Dokumente des Heranwachsens und der Unreife und Zerrissenheit. Ein Klick auf den Titel öffnet das Gedicht.

Regen  –  Frühling  –  Herbst  –  Die Träne –  Salzburg  –  Die Maske  –  Impression  – Dämmerung  –  Besinnung  –  Augen  –  Das Boot liegt ruhig auf dem See  –  Abendlied  –  Zerrrissen  –  Unvollendet  –  Welch ein wunderschöner Morgen!  –  Der Wecker  –  Stonehenge  –  Roulette  –  Apokalypse  –  Narzissen  –  Traurige Volljährigkeit

 

Regen

Peitsche
Tröster
Kühl die Hitze
Lösch das Fieber
Näss die Dürre
Bleib in deinen Grenzen

Sturmwind peitscht
Blitze donnern
Nieseln darf es ruhig
Tropfen tröpfeln
Fensterscheiben
Blubb
Im Wasser
Was zu viel ist, ist zu viel

Schirm und Jacke
Gummistiefel
Pfützen rinnen
Kinderbeine

Lähmen
Leere plätze
Tote Straßen
Flucht
Verdammte Scheibenwischer

Wo ist der, der Halt gebietet?
War so schön
Platsch durch Regen
Wie belebend
Schwellen
Steigen
Drohen
Reißen
Wo ist der, der Halt gebietet?

Da laufen sie
Versuchen zu retten
Wo ist ein Gott?
Ha?!
Es hat uns erwischt
Nicht die andern
Ratten
Weit hergeholt
Es war so schön

Prasseln auf dem Dach
Klopfen auf dem Fensterbrett
Wie belebend!
Und tötend!

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Frühling

Gestern
weckte mich die Sonne vom Schlaf,
äugelten die Strahlen durch das Fenster
und machten mir den Hof
und ich spürte ein neues Beginnen.
Erste Vogelstimmen fragen
ob ihr Kommen nicht verfrüht sei.
Erste Frühlingsboten
wie die Schneeglöckchen
im farbenkranken Grase.
Und wir warten auf das Grünen,
dass die Knospen treiben,
dass die Halme sprießen.
Wehe, der Himmel schickt nochmals Schnee
und bittere Kälte!
Wehe den Pflanzen und Tieren!
Doch der Winter ist überaltert
und seine Gebeine zerbrechen!

Der Großvater
steigt auf die Leiter
und schneidet die Zweige und Ästchen
der Bäume recht mühsam zurecht.
Seine Liebe gilt dem Obstgarten.
Die kleine Kirche winkt wieder
im vertrauten Gewande.
Die kupferne Kuppel
glänzt in der Sonne
Das Flussbett
führt starkes Wasser –
Schmelzglut geschwundenen Bergschnees.
Kleine Kinder
suchen nach Osterhasen –
irgendwo versteckt
im Gras oder Busch.

Der Lauf des Jahres beginnt:
Zuerst der wachsende Frühling,
dann der blühende Sommer,
farbenfroh folgt
der reifende Herbst.
Der Winter stößt alles um,
um den Kreis zu schließen.

Und es kommt der Mai
mit seiner Romantik
oder nicht –
Umhüllt die heranwachsende Liebe,
besungen von vielen Liedern.
Die Nächte werden kurz.
Verliebte Abende werden länger.
Das Leben wird munter.
Man fühlt die Frische.
Und wenn erst die Bäume blühen –
Welch helle Gärten!
Zahllose Blüten.
Der Flieder duftet.
Die Natur
hat den Winterschlaf besiegt.

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Herbst

Die Blätter legen
an bunte Geschmeide
und zieren an Wegen
mit leuchtendem Kleide
die Äste und Bäume.
Ihr buntes Gefieder
verkündet den Tieren
den Menschen und wieder
den Pflanzen: Der Herbst will zieren
Gottes Natur um die menschlichen Räume.

Die Vögel ziehen
in geordneten Scharen
in den sonnigen Süden
und meiden die Gefahren
der kalten, verschneiten Jahreszeit.
Starke Winde wehen
das vergilbte Laub
von den Bäumen und wehen
Sand und Staub
iIn die Lüfte hoch und weit.

Die Kinder springen
über Wiesen und raufen
im ständigen Ringen
mit dem Winde und laufen
mit ihm um den Siege.
Mit Fliegern und Drachen
ziehen sie aus
uUnd setzen mit Lachen
dem Winde sie aus,
damit er sie wiege.

Eifrige Hände
wirken im Schweigen
und bedecken am Ende
des Herbstes mit Zweigen
die Pflanzen zum Schutz vor dem Eise.
Rosen und Nelken
sind lang schon verblüht
und auch die Blumen welken,
die noch geblüht,
als die Vögel gingen auf Reise.

Kalte Winde pfeiffen
um die warmen Ohren mir.
Frost und Kälte schweifen,
der Winter steht vor der Tür
mit seinen Gehilfen aus Eis und Schnee.
Die Tiere meiden
die Wiesen und Wege
und suchen beizeiten
ihr warmes Gehege
im Wald auf ganz in der Näh.

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Die Träne

Eine Träne
rollt
über die Wange.
Sie glitzert
und perlt.
Sie sagt nicht,
warum sie fließt.
Sie sagt nicht,
was sie führt.
Ist es Freude,
ist es Trauer,
ist es Ärger oder Leid?
Die Antwort
gibt sie dir nicht,
die Träne.
Sie rollt,
aber schweigt.

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Salzburg

Schenk mir deine Träume,
deine verspielte Musik –
ein Stück
vergangener Tage.
Du schmiegst dich
in die Schönheit
der Natur.
Leise umfängt mich
der Zauber der Gärten.
Eine Spur
von Poesie,
ein Hauch
der bunten Phantasie –
wie eine Krone –
wie eine Blüte
im Schutze der Berge.

Eine Märchenstadt
aus alter Zeit –
wie Elfen und Feen
aus der Vergangenheit.
Nur der Prinz fehlt,
der die Prinzessin
vom Schlaf erlöste.
Schöne Welt!
Königin
von Kirchen, Palästen –
verbunden
mit Neuem.
Gekrönt
mit der Festung.
Komponiert
als Herz
einer zauberhaften Landschaft.

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Die Maske

Es spielt uralt in deiner Phantasie,
das zu sein, was du doch nie
und nimmer kannst im Leben sein.
Du verbirgst dein „Ich“ vor dieser Welt,
spielst Cowboy und Prinzessin, einen Mann mit Geld
und kannst es doch nicht wirklich sein.

Nach Fasching wirfst du diese Maske ab
und steigst in dein Milieu hinab,
um deinem Alltag nachzugehn.
Gefährlich aber ist das Maskenspiel,
das du im Alltag spielst sehr viel:
Du suchst den Nachbarn doch zu hintergehn.

Du passt dich deiner Umwelt ständig an,
wechselst deine Maske immer dann,
wenn du Nutzen hast davon.
Stets verschieden zeigst du dein Gesicht,
du hast ein Lächeln auf den Lippen oder nicht
und machst dir manche Illusion.

Für die Eltern hast du eine Maske,
für die Lehrer eine Maske,
eine Maske für den Freund.
Deine Maske ist ein nettes Wort
Oder heuchlerische Haltung und so fort,
oft doch beides auch vereint.

Nun wirf deine Maske weg, mein „Ich“!
Spiel kein Theater mehr und zeige dich,
wer in Wirklichkeit du bist.
Zeige doch dein wahres Gesicht,
sonst weißt am End du selber nicht,
ob du wirklich du selber bist.

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Impression

Der Weg ist schmal
ganz dicht am Bach
am Wasserfall,
in der Schlucht danach.
Ich gehe über Sand
und hartes Gestein.
Drunten plätschert das Wasser.

Ich möchte alleine sein.

Der Wind
spielt in den Bäumen.
Die Vögel
laden zum Träumen,
durchbrechen die Stille
der schlafenden Klamm.
Kein Lärmen und Hasten
wie in der rastlosen Stadt!

Hier kann ich rasten,
ich werde nicht satt.

Düfte der Freiheit
durchsengen die Blätter.
Lass sie doch schreien,
die ewigen Spötter!
Hier will ich ruhen.
Ich will hören
die Melodie der Natur.
Niemand soll mich stören!
Ganz horchen nur
dem Rauschen
des verträumten Bächleins!

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Dämmerung

Nur unklar sind die Umrisse
da draußen vor dem Fenster.
Es locken finstere Geschehnisse,
geheimnisvoll wie Nachtgespenster!
Ein langer Stamm ragt in die Höhe,
die Äste sich kein bisschen neigen.
Dunkel! Düster! Nachtwind wehe!
Kein Lüftchen regt sich in den Zweigen.

Nur einzeln ist ein Blatt am Ästchen –
bald tänzelt es im Windeswehn! –
Geschützt am Stamm ein Vogelnestchen,
doch ist es fast nicht mehr zu sehn.
Die Nacht wird finster, schwarzes Stöhnen,
ein Hauch noch blieb vom Tag zurück,
ein Hauch, ein angsterfülltes Sehnen
nach Morgen, Liebe, Glaube, Glück.

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Besinnung

Meilenweit von hier,
gerade jetzt, wenn wir,
voll Überdruss die Bäuche heben,
weil wir im Überflusse leben,
hungert ein Kind,
friert im kalten Wind.
Sein Gesicht ist eingefallen-
sein Wort ist nur noch Lallen –
sein Augenlicht schon halb erloschen –
von allen ausgeschlossen.
Es schreit nach Brot,
oder sei es auch Reis.
Der Schrei ist zu leis –
und nahe der Tod.

Und wir lachen.
Was sollen wir machen?
Hat es einen Wert,
nicht das Schwert,
sondern den Pflug zu lehren?
Hat es einen Sinn,
wer ich auch bin,
meine Hilf zu gewähren?

„Der Lohn wird groß sein!“
Doch kann ich das glauben?
Ich muss das glauben,
wenn ich Sekt und Wein
trink und genieße,
wenn der Tisch gedeckt ist,
wenn ich weggieße,
was niemand mehr isst.

Vielleicht geht’s mir morgen
so wie diesem Kind.
Vielleicht steh ich schon morgen
nackt im kalten Wind.

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Augen

Augen die wie Sterne glühen,
die wie tausend Perlen blinken,
die so hell wie Lilien blühen,
Augen , die voll Ruhe winken.

Zagend, fragend, mich verklagend?
Augen ihr seid wunderschön!
Träumend, schäumend, leise sagend,
was vergeht im Windeswehn.

Augen, ihr seid zwei Edelsteine,
die feurig funkeln, stürmisch schlagen,
die im milden Mondenscheine
schelmisch lachen, leise fragen.

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Das Boot liegt ruhig auf dem See

Das Boot liegt ruhig auf dem See,
am Stege sitzt ein kleines Kind.
Es lauscht voll Ruhe wie ein Reh,
in seinem Haar spielt sich der Wind.
Das Schilf wiegt sich am schlafenden Weiher.
Ein Vogelleid weiht diese Stille.
Darüber fliegt ein junger Reiher,
der Abend bringt die dunkle Kühle.

Plötzlich lacht der kleine Knabe
und springt vom Steg zum Uferrand.
Ein Vogel ist’s! Der kleine Knabe
will mit seiner zarten Hand
das Vögelein am Wege fangen.
Zu spät! Es fliegt. Der Knabe schaut.
Das Lied, das frohe Kehlen sangen,
verstummt, enttäuscht der Knabe schaut.

Die Mutter ruft vom nahen Hause
ein paarmal den geliebten Namen.
Jetzt laufe, Kind des Himmels, sause!
Es läuft. Geliebte Töne kamen
aus dem väterlichen Garten.
Die Mutter ruft und schließt das Kind
in ihre Arme, die voll Liebe warten –
und draußen weht der Abendwind.

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Abendlied

Im Abendrot hab ich an dich gedacht,
als sich der Tag zu Ende neigte,
und leise ist in mir ein Wunsch erwacht,
den Liebe mir noch nie so zeigte.

Blutrot ist der Horizont,
die Sonne flieht, versteckt ihr Licht.
Ganz unscheinbar der Silbermond.
Ich sehe deutlich dein Gesicht.

O, bleibe, Sonne, wo du bist,
und spende mir den milden Schein!
Erinnere sie, die du geküsst
an meine Lieb zu ihr allein!

Leg dich, milder Purpursaum,
sanft auf ihre zarten Lider!
Komm, du ewiger Liebestraum,
senk dich auf ihr Herz hernieder!

Erfülle sie mit meinem Sehnen,
berühre sie mit deinen Schwingen!
Zeig ihr meine Liebestränen,
behüte sie vor allen Dingen!

Bleibe ruhig, schweige still,
wecke sie nicht aus dem Schlafe!
Küsse sie – und halte still,
sei ihr Diener und ihr Sklave!

Geh und lösch die Lichter aus,
auf dass nur noch die Liebe brenne!
Jag die böse Lust hinaus!
Grüß sie, schenk ihr alles Schöne!

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Zerrrissen

Alle Sterne,
die den Himmel durchdringen,
die den Abend liebenswert machen,
können mir nicht geben,
was ich mir im innersten Herzen wünsche.
Alle Dinge,
die die Menschen bewundern,
wissen nichts von dem Zwiespalt,
der mich hin und her weht,
wie ein Schiff der peitschende Sturm.

Lose liegt mein Hemd an der Brust,
der Wind stößt hinein
und durchwühlt mich hilflos Zweifelnden,
einmal so, einmal anders,
genau wie der Rauch
nach allen Richtungen flieht.

Verschiedene Wegweiser werben um mich,
zeigen den Weg zum glücklichen Leben.
Der eine ist rosig und zeigt auf die Liebe.
Das ist der Sinn – heißt es.
Dem andern fehlen Würze, Reize – heißt es.
Dem dritten fehlt diese, dem vierten das!
Ich geh den einen,
doch schaue mit Wehmut
auf den rosigen Weg.
Ich bin gebannt von dem einen
und sehn mich nach dem rosigen Weg.
Ich bin auf dem einen
und schließe die Augen
und träume vom rosigen Weg.

Die Entscheidung ist hart,
doch meine Seele empfindlich.
Es scheint alles verwirrt,
es scheint alles verkehrt!
Kein Weg hat alles, kein Wort sagt alles!
Ist dieser Weg der rechte,
so für mich bestimmt?
Soll ich ihn gehen?

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Unvollendet

Letzte Nacht, eine Nacht der Sehnsucht,
hüllte mich ein süßes Traumbild ein.
Die Nacht war da um mich verschwunden,
die Sonne schenkte ihren hellen Schein!

Ein wunderbares Mädchen, zauberhaft und schön,
saß auf einer Bank – und das warst du.
Du lachtest, und dein Lachen kam aus hohen Höhn,
dein selger Blick auf mir lag immerzu.
Da kam aus unserem Rosengarten
Gott Amor und erblickt‘ uns beide,
er hüpft‘ und sprang voll heller Freude –
erfüllt schien unser langes Warten.
Und mit einem goldnen Pfeile
schläfert‘ er uns beide ein,
nahm geschickt und ohne Eile
deinen Augenstern und mein‘,
schmolz die beiden Edelsteine,
um sie wiederum zu teilen –
funkelnd wie vom besten Weine –
begann zu schleifen und zu feilen.
Dann trug er sie in sanfter Hut
zur Schmiede und begann zu schmieden,
hielt Liebespfeile in die heiße Glut –
wir beide schlummerten in Frieden –
und wand daraus zwei goldene Ringe,
die Augensterne als Blüten der Geschmeide,
als ob ein Meister dieses Werk anfinge,
setzt‘ er in die Mitte für uns beide.
Erinnert‘ sich dann unsrer Namen ,
um sie in der Innenseite einzuschreiben.
Du und ich vereint zusammen,
werden immer in dem Ringe bleiben!
Dann war das Werk vollendet,
ein neuer Pfeil gesendet,
um uns aus dem Schlaf zu rütteln,
die Blindheit aus unserm Aug‘ zu schütteln.
Er brachte uns die kunstvollen Geschmeide.
Ich ergriff den ersten Ring, um dich zu schmücken,
auszudrücken meine Freude
und um in dein weites Herz zu blicken.
Du gabst mir deine Hand –

Da wurd ich aus dem Schlaf geweckt,
der Traum war aus, zerrissen unser Liebesband,
das dich und mich im Traum bedeckt.
Wie ging es wohl weiter, frag ich mich,
hast du den Ring getragen,
hat dein Herz verstanden mich,
soll ich lachen oder klagen?

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Welch ein wunderschöner Morgen!

Welch ein wunderschöner Morgen!
Welche Ruhe!
Welch stilles Glück!
Die Sone lacht in alle Fenster,
die Wolken sind vom Himmel geflohen.
Ein blaues Gedicht.
Der Wetterbericht meldet heiter und sonnig.
Ein heiliger Morgen, weil ich an dich denke!

Die zarten Zweige
neigen sich nach Osten
und schwingen hin und her,
dann verweilen sie still,
um sich erneut vom Wind treiben zu lassen-
Ein leichter Wind.
Und hinter dem Kamin hüpft ein kleiner Vogel,
ein anderer fliegt durch die friedliche Luft
und setzt sich auf einen nackten Ast nieder.
Das junge Gras
leuchtet saftig grün.
Ein paar Tauperlen
glitzern auf den wachsenden Halmen.

Und mich umgibt dieselbe Stimmung.
Ruhig und gelöst.
Wartend, dass ein Windstoß die Stille unterbricht.
Ein Glück,
dass du unter demselben Himmel lebst!

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Der Wecker

Es war einmal ein Mann,
der hatte einen Wecker.
Der Wecker aber tickte immer furchtbar laut.
Er machte tick-tack tick-tack
den ganzen Tag
und die ganze Nacht,
und der Mann war böse,
weil er nicht einschlafen konnte.
Der Wecker ging ihm auf die Nerven.

Es war einmal ein Mann,
der nahm seinen Wecker
und machte ihn kaputt.
Der Wecker tickte nicht mehr furchtbar laut,
er machte nicht mehr tick-tack,
keinen Tag,
keine Nacht.
Der Wecker ging ihm nicht mehr auf die Nerven.
Der Wecker war kaputt.

Es war einmal ein Mann,
der hatte einen kaputten Wecker.

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Stonehenge

Ein Steinhaufen.
Man guckt.
Man fragt.
Man bewundert.
Man hat auch das gesehen.
Wuchtige Felsbrocken.
Und doch –
sie sind zusammengestürzt.
Wo früher ein Tempel war
zum kultischen Dienst
führt man heute
die Fremden herum
und wartet,
bis sie Trinkgeld geben.

Und was wird
mit unseren stolzen Domen?
Einmal?
Schon wächst Moos
auf dem Dach der Kathedrale
und voll von Flechten
ist das steinerne Kleid
des Bischofs –
zu seinen Füßen wächst Gras.
Er war einmal ein großer Mann.
Mächtig
oder herrschsüchtig
oder beliebt
oder auch fromm.
Niemand wird sich seiner erinnern.
Wenn auch seine Statue bleibt.
Was wird aus den
prächtigen Domen,
wo die Fremden durchlaufen
wie durch ein Museum?

Vielleicht werden immer noch
Fremde
dort als Touristen grasen
tausend Jahren,
wenn die Kathedrale
nur noch ein historisches Denkmal ist.
Wo die Glocken vorher
zum Gottesdienst geläutet hatten.
Dann ist sie zusammengestürzt.
Dann wurde sie zerbombt.
Dann wird man dort
Eintrittskarten verkaufen.
Wenn noch überhaupt
die Menschen leben.

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Roulette

Roulette
Machen Sie Ihr Spiel –
Nichts geht mehr.
Passe
verloren
pair
verloren
noir
verloren
Nummer 27
verloren

Ist es ein Spiel?
Ich muss setzen.
Nichts geht mehr.
Bibel
verloren
Glaube
verloren
Jesus Christus
verloren
Gott
verloren.

Du hast schlecht gespielt.
Ist es ein Spiel?

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Apokalypse

Ich wartete vergeblich.
Es blieb ruhig. heute.
Keine Schreckensbotschaft
wie die Tage vorher.
Neununddreißig Tote
dreiundzwanzig Tote
zweiundvierzig Verletzte
tausende obdachlos
verzweifelt.

Erdbeben
Krieg
Überschwemmung
Krieg
Zugunglück
Krieg
Flugzeugabsturz
Krieg
Feuer
Krieg
Orkan
Krieg
Überschwemmung
Krieg
Erdbeben
Krieg Krieg Krieg Krieg

Mit Andersfarbigen
Mit Andersgläubigen
Mit Andersprachigen

Feinde
Landsleute
Nachbarn
Freunde
Brüder

Bruder wird sich gegen Bruder erheben
Sohn gegen Vater
Volk gegen Volk

Doch das ist erst der Anfang.
Das Ende wird noch viel schlimmer.
Ich habe Angst.

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Narzissen

Siehst du die Äste kahl im Garten,
siehst du darunter Narzissen blühen,
so brauchst du nicht mehr lange warten,
bis Winter, Frost und Kälte fliehen.
Siehst du bereits die Knospen brechen,
so weiß dein Herz sogleich Bescheid,
bis dich beim Rosenpflücken Dornen stechen,
ist nicht mehr lange Wartezeit.

Sind die Blüten deiner Lieb gestorben,
sind die Äste deines Herzens kahl,
weil er ging, der dich umworben,
und Leere packt dich überall,
der Winter einzieht in dein Herz,
keine Sonnen dich dann küssen –
Sehnsucht wechselt in Traum und Schmerz, –
so denke stets an die Narzissen.

Es werden neue Knospen sprießen,
wachsen dann und Blüten geben,
und Sonnenschein wird dich begrüßen,
neue Liebe bringt dir neues Leben.
Kein Sturmwind wird dich finden können,
weil deine Blüten nicht mehr schwinden.
Du wirst keinen Winter mehr erkennen,
dein Warten wird Erfüllung finden.

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Traurige Volljährigkeit

Es ist mein Geburtstag heute.
Ich bin einundzwanzig Jahre.
Und nun sagen alle Leute,
dass ich jetzt erwachsen wäre.

Doch wann kann man denn schon sagen,
dass man echt erwachsen ist?
Man bleibt ein Kind in alten Tagen,
wenn man das auch oft vergisst.

Als ich am Morgen aufgewacht,
rieb ich mir den Schlaf aus dem Gesicht.
Gar nicht wach, hab ich gedacht,
irgendetwas stimmt doch nicht.

Ach ja, der Tag der Volljährigkeit!
Fang an ein neues Lebensjahr!
Da kaum ein Hauch von Traurigkeit,
weil eine Epoche zu Ende war.

Ich konnt mich kaum am Tag erfreuen,
da ich deinen Blick musst missen.
Wie kann ich Freude um mich streuen,
wenn ich so fern von deinen Küssen?

Ich hab den Blick nach vorn gerichtet.
Mein Leben wird nicht anders sein.
Die Jugend wird stets dort gesichtet,
wo man wirklich jung will sein.

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